Mitten in Deutschland: ein herunter gekommener Bauernhof, ungepflegt, verwahrlost. Eine von vielen Vermehrerfarmen. Hier werden Hunde ‚gezüchtet’ - mehrere Rassen laufen durcheinander, Jagdhunde, große und kleine, Terrier, Golden Retriever, Labradore, Beagle, Dalmatiner, viele Mixe sind dabei. In den Freiläufen nur noch blanke Erde oder stinkender Schlamm, kniehoch. Überall ranzige Wurstreste und verdorbenes Futter, nirgendwo ein Wassernapf. Dreck und Unrat in jeder Ecke, tote Ratten in jedem Gehege. Ein winziges Betonloch, das man einfach in die Scheunenwand geschlagen hat, öffnet sich in einen dunklen Unterschlupf. Auch der Stall starrt vor Dreck. Es ist der einzige Ort, wo die Hunde Schutz vor dem Wetter finden, wohin sie fliehen können - der Ort, an dem Walker, der Goldierüde, sieben Jahre seines Lebens verbracht hat.
Eine Jagdhündin sitzt bewegungslos auf dem Boden, mitten in der Meute, ihr Blick gebrochen. Andere Hunde liegen teilnahmslos herum, reagieren überhaupt nicht auf die Menschen hinter dem Zaun. Ihnen hat das Leben nichts mehr zu bieten, sie haben aufgegeben. Für sie gibt es keine Hoffnung mehr. Einige Hunde sind völlig verstört und verängstigt, flüchten panisch, fürchten sich vor menschlichem Kontakt. Sie haben ihre Gründe dafür. Es gibt nichts, auf dass sie sich verlassen könnten. Oft genug haben sie den vermeintlich freundlichen Worten vertraut. Nähern sie sich jedoch der lockenden Stimme, werden sie von derben Händen brutal gepackt oder bekommen eine Schlinge um den Hals gezogen und werden grob in irgendein Auto verfrachtet.
Früher verkaufte der Hundehändler seine Welpen direkt dort von seinem Hof. Die schlechte Haltung war seine Masche. Welches Herz würde es nicht rühren, wer würde nicht auch die Hunde dort aus dem Dreck holen wollen? Der Trick mit dem Mitleidskauf funktionierte super, die Geschäfte gingen gut! Die armen Hunde spürten davon nichts. Ihr Elend blieb das Gleiche.
Nach dem Tod des Bauern war die Frau mit den 150 Tieren vollends überfordert und konnte sie nur noch notdürftig versorgen. Das unvorstellbare Leid der Tiere, an sich kaum noch zu überbieten, nahm zu – jeden einzelnen Tag. Die Ratten fraßen den Hunden das karge Futter weg, das seit Jahren nur aus Wurst- und Schlachterabfällen oder verdorbenen Kuchenresten bestand. Im Kampf ums Überleben zogen sich viele Tiere Verletzungen zu, die in dem Dreck nur schlecht verheilten. Die Ratten machten auch vor den Hunden nicht halt, viele haben am ganzen Körper Rattenbisse, wie wir nach der Übernahme feststellten.
Das Veterinäramt war längst aufgrund mehrerer Anzeigen informiert, fand jedoch keine Handhabe zum Eingreifen, da bei Kontrollen stets die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt waren. Die deutschen Tierschutzgesetze sehen nicht viel Tierschutz für Vermehrerhunde vor: Die Tiere hatten soziale Kontakte zu Artgenossen, Auslauf und Schutz vor Regen. Die verletzten und kranken Hunde haben die Veterinärmediziner nie zu Gesicht bekommen.
Seit Mai 2007 konnte Retriever in Not über 20 Hunde aus dieser Vermehrerhölle herausholen. Es begann mit Walker, der als ein stinkendes, dreckiges, verfilztes Bündel im Mai 2007 gehen durfte, weil es dauernd Ärger mit einem anderen Goldierüden gab. Walker war nicht produktiv genug und hatte Glück. Äußerlich von den Leiden genesen, ist er mittlerweile ein wunderschöner Rüde geworden. Aber seine Seele ist völlig verstört. Innerlich getrieben von qualvoller Angst, wartet er den ganzen Tag in seiner Kudde reglos auf den täglichen Spaziergang, seine einzige Freude. Im Haus bewegt er sich bis heute nicht.
Ein paar seiner Leidensgenossen durften ihm folgen. Vroni kam mit einer riesigen Kopfwunde, Josine völlig abgemagert und verwahrlost und von der Räude gezeichnet. Jakob hatte verwachsene Zehen und sein verfilztes Fell starrte vor Dreck. Die schöne Franka begegnete ihrem neuen Leben äußerst misstrauisch. Vara, eine sehr schüchterne Zuchthündin, hatte fast gar kein Fell mehr. Der ängstliche Logan litt unter Zwingerhusten.
Zwei Zuchthündinnen, Dalmatiner-Jagdhund-Mix, und zwei Welpen, Labrador-Dalmatiner-Mix, wurden von RiN abgeholt und über Jutta Große von Heavenleigh an Dalmatiner Nothilfen übergeben.
Erneut wurde das Veterinäramt auf die katastrophalen Zustände aufmerksam gemacht. Im Herbst endlich reagierten die Behörden, der Bestand auf dem Hof musste auf die Hälfte reduziert werden. Im städtischen Tierheim und in Pflegefamilien von Retriever in Not und Liberty for Dogs kamen viele der Hunde unter.
Nach einem halben Jahr durfte nun endlich auch Hartmud die Farm verlassen, ein Beagle Rüde mit großen offenen Stellen im Fell, dem wir schon bei der Abholung von Walker versprachen, wiederzukommen und a uch ihn zu holen. Deeta und Olena trugen Narben und offene Wunden von zahlreichen Rattenbissen, Ingrid zitterte vor Angst. Daxi hatte trotz ihrer schlechten Erfahrungen das Vertrauen in die Menschen nicht verloren und auch Adela stürzte sich mit Begeisterung ins Familienleben, als hätte sie es schon lange vermisst. Aboa, Annchen und Atlantis waren noch Junghunde und ließen die Schrecken der Vergangenheit schnell hinter sich. (siehe auch unser Tourbericht: Vermehrer lässt Hunde verwahrlosen)
Doch das Grauen der Hunde auf dem Vermehrerhof nahm kein Ende, die Verhältnisse besserten sich keineswegs. Anfang Dezember endlich kam die für uns als Tierschützer erlösende Nachricht: Die Zucht muss komplett aufgelöst werden! Bis zum Ende des Jahres sollen alle Hunde den Hof verlassen haben, das Amt droht sonst mit Beschlagnahmung. Außerdem wurde ein Hundehaltungsverbot für die Betreiberin der Hundefarm verhängt. Die Bäuerin musste ihre große Jagdhundmeute verkaufen, die kleinen Jagdhunde und Terrier wurden dem Tierheim übergeben. Die letzten ‚Rattenhunde’, vier Retriever und ein Terrier-Beagle-Mix durften RiN bzw. Liberty Hunde werden.
Es ist nur dem unglaublichen Engagement von RiNlern und Liberty-Aktivisten zu verdanken, dass alle Hunde noch vor Weihnachten ein warmes Plätzchen in einer Pflegefamilie gefunden haben. Bis zuletzt war unsicher, ob wir sie alle würden holen können. Zu groß schien die Belastung der letzten Wochen, in denen dauernder Pflegestellennotstand unsere ‚eisernen Reserven’ ausgeschöpft hatte. Im letzten Moment gelang es dem Pflegestellennetzwerk, auch einen Platz für Lukas, den Beaglemix zu finden. Das Wunder war vollbracht, es konnte losgehen.
Am Samstag, 15.12.2007, fuhr das RiN Mobil die letzten ‚Rattenhunde’ in die Freiheit. Die Hunde ahnten natürlich nicht, was ihnen bevorstand. Bei der Abholung versanken sie knöcheltief im Matsch, der Boden im Freilauf war so aufgeweicht, dass er die Hunde trotz ihres geringen Gewichts nicht tragen konnte. Sie mussten eingefangen werden, flüchteten panisch vor der Fangschlinge der Besitzerin oder krochen auf allen Vieren vor Angst über den Boden.
Obwohl die Zucht aufgelöst werden soll, hörten wir überall Gekläffe und Gejaule. Auch aus den Hallen drang Hundegebell. Die Hunde gehörten dem Nachbarn, meinte die Bauersfrau, er habe den Freilauf gepachtet. Die Ratten sind verschwunden, überall wurde Rindenmulch verteilt. Wir können nur hoffen, dass das Hundeelend hier dauerhaft ein Ende findet.
Der schokofarbene Labradorrüde ist anfangs völlig verängstigt und ständig auf der Flucht. Die ersten Tage verkriecht er sich im Gebüsch und schaut sich die Welt lieber aus sicherer Distanz an. Aber seine Neugierde fordert ihn, er will wissen, was das neue Leben für ihn vorgesehen hat. Der sanfte Schmusebär entdeckt gerade die Zärtlichkeit menschlicher Hände und leckt dankbar die streichelnde Hand. Alles für ihn Neue macht ihm noch Angst, aber er sammelt im Schnelldurchlauf Erfahrungen über die Welt, die für ihn jetzt offen steht.
Die schwarze Schönheit hatte zu Beginn starken Durchfall und Fieber, war leicht dehydriert und unterernährt. Aber die liebevolle Pflege bekommt ihr gut und sie erholt sich schnell von dem Stress der Umstellung auf ihr neues Leben. In ihrem Pflegezuhause tastet sie sich zielstrebig aus ihrer Angst heraus. Auch sie will wissen, was das Leben ihr zu bieten hat! Nach ein paar Tagen schon ist die Kleine stubenrein und freut sich lebhaft auf den großen Gassigang!
Von der langen Fahrt gestresst, ist die erste Nacht mit Delva etwas turbolent, weil sie sich mit der Hündin der Pflegefamilie anfangs nicht verträgt. Delva soll angeblich im Haus gelebt haben und kennt auch einige Grundkommandos schon. Die scheue Hündin braucht erst einmal Zeit, um anzukommen in der großen Freiheit, die ihr bis jetzt noch etwas unheimlich ist.
Ein bisschen übergewichtig, strohiges, mattes Fell mit einem ganzen Flohzirkus – aber ein unbeschreiblich liebes Wesen, das ist Samuel. Der total unkomplizierte Schokobär kennt kein Gras, vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen, weil er den Boden nicht sehen kann. In der Pflegefamilie entwickelt er sich geschwind zu einem absoluten Traumhund, entdeckt das Spielen mit dem Ball und liebt es, geknuddelt zu werden – am liebsten den ganzen Tag.
Der quirlige Kerl ist ein freundlicher Gesell. Manchmal schont er sein linkes Hinterbein, vielleicht eine alte Verletzung. Schmerzen scheint er jedoch nicht zu haben. Er zeigt keinerlei Probleme im Umgang mit anderen Hunden. Ob Rüden oder Hündinnen, er mag alle gleich gern und geht offen auf sie zu. Er spielt und tobt gemeinsam mit den Hunden der Pflegefamilie durch den Garten. Auch im Umgang mit Kleinkindern zeigt er sich als Hundekamerad und ist völlig unproblematisch.
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